Die Hygiene-Revolution für Entwicklungsländer: Eine autarkes Toilettensystem für eine herausfordernde Infrastruktur

Was in unserer Gesellschaft selbstverständlich ist, und uns mehrfach täglich zur Verfügung steht, ist in anderen Teilen der Welt völlig undenkbar: Eine saubere Toilette, die auf Knopfdruck das wegspült, mit dem wir uns nicht mehr beschäftigen möchten. Eine absolute Grundlage in jedem Haushalt.

 

In unserer modernen Welt, in der wir tagtäglich von technologischen Fortschritten und Annehmlichkeiten umgeben sind, ist es schwer vorstellbar, dass Fäkalien vor, auf oder neben Straßen gekippt werden oder notdürftige gegrabene Erdlöcher als Toiletten genutzt werden. Doch diese bedrückende Realität ist für über eine halbe Milliarde Menschen in schlecht bis kaum entwickelten Ländern Alltag, der an längst vergangene Zeiten des europäischen Mittelalters erinnert. In vielen Regionen der Welt sind die finanziellen Mittel nicht ausreichend, um eine sanitäre Infrastruktur zu errichten. Während wir in Mitteleuropa in einer Wohlstandsgesellschaft leben, in der selbst kurzzeitige Unterbrechungen der Wasserversorgung frühzeitig angekündigt werden, können sich Menschen in Gebieten ohne sichere Wasserversorgung nicht einmal vorstellen, eine Klospülung zu nutzen. Für sie erinnern die verfügbaren Optionen oft an Plumpsklos aus unserer Großeltern-Generation. Unbehandelte menschliche Ausscheidungen führen unausweichlich zu einem massiven Hygienemangel, der für die gesamte Bevölkerung verheerende Auswirkungen hat. Krankheiten, einige davon mit lebensbedrohlichen Folgen, breiten sich ungehindert aus und setzen die Bevölkerung einem zusätzlichen Risiko aus.

 

Aus diesem Grund wurde von der Bill & Melinda Gates Stiftung vor rund zehn Jahren die Reinvent the Toilet Challenge“ ins Leben gerufen mit dem Ziel Toilettensysteme zu entwickeln, bei denen sämtliche Ausscheidungen innerhalb des Toilettensystems weiterverarbeitet werden, mit maximalen Kosten von 5 Cent pro Kopf pro Tag bei geringstmöglichem Wasser- und Energiebedarf. Eine komplexe Aufgabe für zahlreiche Teams von Wissenschaftler:innen rund um den Erdball, die sich dieser Aufgabe gestellt haben. Ein visionärer Ansatz zur Lösung der globalen sanitären Herausforderungen stammt vom US-amerikanischen Professor Shannon Yee vom Georgia Institute of Technology. Er agiert im Auftrag der Bill & Melinda Gates Stiftung und hat eine Auswahl des bisherigen Forschungsstands der „Reinvented Toilet Challenge“ in einem Projekt zusammengeführt, mit dem Ziel eine ultimative autarke Toilette zu entwickeln, die für globale Anwendungen geeignet ist. Dieses bahnbrechende System gliedert sich in zwei zentrale Bereiche: dem Backend zur Verarbeitung von menschlichen Ausscheidungen, und dem Frontend, die eigentliche Toilette, die von EOOS NEXT, einem Wiener Industriedesignstudio, entwickelt wurde.

 

Die Vakuum-Urin-Separationstoilette schafft es den Wasserbedarf pro Spülvorgang auf ein Minimum zu reduzieren, und trennt in einem weiteren Schritt Spülwasser von Fäkalien. Die so getrennten Ströme werden zur weiteren Verarbeitung in das Backend transportiert.

Bei der Gestaltung des Frontends hat EOOS NEXT besonderen Schwerpunkt auf eine möglichst universelle Benutzbarkeit gelegt, die in mehreren Feldtests in China, Indien und Südafrika über mehrere Monate hinweg erfolgreich demonstriert wurden.

 

 

Wir von XITEC Engineering wurden als Expert:innen für Mechatronik und Sondermaschinenbau in dieses wegweisende Entwicklungsprojekt mit eingebunden, als uns unsere Kunden EOOS NEXT eine erste Anfrage zur Unterstützung des Prototypenbaus stellten. Die Aufgabe bestand darin, ein neuartiges Ventil zu entwickeln, das in der Lage ist, den Medienfluss innerhalb des Systems zu gewährleisten. Angesichts der Tatsache, dass es keine existierenden Ventiltypen auf dem Markt gibt, die den spezifischen Anforderungen hinsichtlich der Drehgeschwindigkeit gerecht wurden, haben wir unsere Expertise eingebracht: Stück für Stück entstand ein maßgeschneiderter Prototyp. Unsere gemeinsame Wahl fiel auf eine Ventillösung, aufbauend auf im Handel erhältliche Standardventile, die mit einem Motor, sowie mit Sensorik ergänzt wurden. Zusätzlich wurde das Ventil mit einer dazugehörigen Steuerungsplatine und einer Programmierung ausgestattet. Dieses Spezialventil wurde zur Integration in bereits existierende Prototypen angepasst. Durch fortlaufende Tests und Anpassungen konnte sichergestellt werden, dass die Ventile den hohen Anforderungen gerecht wurden. Des Weiteren haben wir auf Basis der detaillierten Abläufe und Qualitätsanforderungen von EOOS NEXT einen Schaltkasten zur Steuerung aller verbauten Komponenten und Sensoren entwickelt, sowie die gesamtheitliche Programmierung der Toilette implementiert.

 

Es folgte eine intensive Testphase, in der wir die gemeinsame Umsetzung genau unter die Lupe nahmen. So hatten wir die Gelegenheit, die einzelnen Komponenten, sowie den Gesamtaufbau exakt zu prüfen. Mit dieser Testphase stellten wir sicher, dass alle Bauteile reibungslos mit der Software interagieren, und das System für einen Einsatz in Real-Bedinungen funktionsfähig ist. Mit ergänzenden Leistungsmessungen am Gesamtsystem analysierten wir den energetischen Bedarf der Toilette, um zusätzlich eine Basis für eine gezielte Weiterentwicklung zu ermöglichen. Die Toiletten Prototypen haben derzeit noch einen großen Platzbedarf, während der Produktentwicklung wird eine Bauraumreduktion erfolgen. Harald Gründl von EOOS NEXT vergleicht diese Entwicklungsphase mit den Anfängen der Mobiltelefone, die mittlerweile in jede Hosentasche passen.

 

Wir freuen uns, dass wir mit unserem Fachwissen zu diesem eindrucksvollen und nachhaltigen Projekt beitragen konnten. Unser Dank gilt EOOS NEXT für das Vertrauen und die hervorragende Zusammenarbeit. Wir blicken gespannt auf die weiteren Projektfortschritte und hoffen, dass dieses innovative System in Zukunft auf der ganzen Welt implementiert wird!

 

Einblicke: